Vorausgesetzt man ist der Meinung, dass auch Fußpilz oder ein gebrochenes Bein einen praktischen Nutzen haben, lässt sich in der Generationendebatte vielleicht ebenso etwas Nutzbringendes finden. Ansonsten wohl eher nicht, denn die damit verbundenen pauschalisierten Persönlichkeitsmerkmale stürzen zwar viele mit Nachwuchsgewinnung befasste Verantwortliche landauf landab in nachhaltiges Grübeln über die zukünftige Darstellung der Firma in der Öffentlichkeit, über die Art und Weise von Nachwuchsgewinnung und über die Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen, gehen aber in weiten Teilen an der Wirklichkeit vorbei. Deswegen sehe ich die Gefahr, dass der derzeit zu beobachtende Aktionismus, gerade im Hinblick auf die heiß umkämpfte Generation Z, zum „Rohrkrepierer“ werden kann.

Als ich Jugendlicher war, wurde meine Generation als Turnschuh-Generation bezeichnet. Uns wurde attestiert, dass wir freizeitorientiert waren und längst nicht diesen Fleiß und Arbeitswillen hatten wie die Vorgängergenerationen. Auf gut Deutsch: die Älteren hielten uns für faul. Im Vergleich mit ihnen mochte das damals sogar stimmen, denn unsere Großeltern und Eltern mussten ein nach dem Krieg in Trümmern liegendes Land wieder aufbauen und dessen Wirtschaft ins Laufen bringen. Das war nicht mit einem 8-Stunden-Tag hinterm Schreibtisch zu bewältigen. Wir hingegen konnten als Jugendliche in den 70er- und 80er-Jahren die Früchte des Aufbaus und des Wirtschaftswunders genießen.

Allerdings „hinkte“ der an uns angelegte Maßstab. Wenn es darum gegangen wäre, für den nächsten Tag die Butter auf dem Brot zu organisieren, um nicht Hunger leiden zu müssen, hätte sich wohl auch meine Generation nicht am Strand oder in der Disco amüsiert. Davon abgesehen waren unsere Eltern ab Mitte der 50er-Jahre ebenfalls keine Kinder von Traurigkeit mehr. Wie oft mussten wir uns anhören, was zu Zeiten des Rock ´n´ Roll in den Tanzbars los war? Gerade in meiner Geburtsstadt Wilhelmshaven, in der regelmäßig nicht nur amerikanische Marinesoldaten während unzähliger Schiffsbesuche ihren Way of Life mitbrachten, war eine Menge los. Das war auch noch Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre so. Die Tanzbars hatten sich zwischenzeitlich in Discos verwandelt und deren Tanzflächen waren von Jüngeren genauso wie von Älteren bevölkert. Und wer den Platz und die nötigen Finanzen hatte, gönnte sich einen Partyraum bzw. -keller. Als die wirtschaftliche Situation es erlaubte, waren unsere Eltern also ebenso auf Freizeit und Vergnügen aus wie wir.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich allerdings schon damals die Gegebenheiten nicht verallgemeinern ließen. Alleine die Vielzahl an unterschiedlichen Jugendströmungen, die es seinerzeit gab, sprach gegen eine homogene Turnschuh-Generation. Die Bandbreite reichte von Punks, die die bestehende Gesellschaftsordnung als spießig ablehnten und welche die Verachtung durch das Establishment als Auszeichnung ansahen bis hin zu den konsumorientierten Poppern, die in einer – nicht nur aus heutiger Sicht – übersteigerten Persiflage das (Möchtegern-) Großbürgertum verkörperten. Dazwischen gab es jede Menge Nuancen: Mods, Teds, Rocker, Skinheads…. Es ging um Lebensstil, um Musikgeschmack, um Freizeitverhalten und ein Stück weit um den Anspruch, anders zu sein als unsere Eltern und Großeltern. Nicht wenige Angehörige meiner Generation waren auch politisch interessiert. Entsprechend den großen Themen dieser Zeit gab es Befürworter oder Gegner der Atomkraft, genauso wie es Befürworter und Gegner der militärischen Aufrüstung des Westens sowie des NATO-Doppelbeschlusses gab. Es gab sogar junge Menschen, die Sympathien mit dem Linksterrorismus der RAF hegten, wobei die weit überwiegende Mehrheit der Bundesbürger, egal ob alt oder jung, politisch motivierte Gewalt ablehnte.

Abhängig davon, welcher Strömung die Jugendlichen angehörten, hatten sie eine starke, durch die Gruppe geprägte Einstellung zu Themen wie Werte, Normen, Lernen, Arbeit und Freizeit. Diese gruppenspezifische Prägung wurde zusätzlich mehr oder weniger stark vom familiären Umfeld beeinflusst, welches wiederum im Kontext des Milieus, in welches es eingebettet war, gesehen werden musste. Unbestritten hatte die Schule ebenfalls einen Anteil an der Prägung und selbst die Wehrpflicht trug, zumindest bei männlichen Jugendlichen, dazu bei. Man konnte also in keiner Weise von der Turnschuh-Generation reden. Demzufolge konnten sich Personaler vor 40 Jahren auch nicht auf eine solche vorbereiten oder einstellen. Das war auch gar nicht erforderlich. Anfang der 80er-Jahre litt Deutschland unter einer relativ hohen Arbeitslosigkeit, so dass Bewerber sich nach dem potenziellen Arbeitgeber und dessen Werten zu richten hatten, wenn sie eine Ausbildungs- oder eine Arbeitsstelle ergattern wollten. Sobald der Einstieg ins Arbeitsleben anstand, war man also gut beraten, seine persönlichen Vorstellungen hinsichtlich einer dem eigenen Geschmack entsprechenden Gesellschaftsordnung und Arbeitswelt runterzuschlucken, sich an die Spielregeln der durchweg älteren Vorgesetzten zu halten und das hohe Lied ihrer Tugenden mitzusingen (oder zumindest so zu tun).

Was ist heute so anders, dass es sich nicht nur auf einzelne Individuen, sondern auf eine ganze Generation übertragen lässt? Der gravierendste Unterschied ist der, dass die Generation Z hinsichtlich ihrer Kopfzahl deutlich schwächer ist als meine Turnschuh-Generation, welche nach gängiger Definition entweder den ausgehenden Babyboomern oder der beginnenden Generation X zugeordnet wird. Die Folge ist, dass im Hinblick auf Fach- und Nachwuchskräfte bereits jetzt die Nachfrage seitens der Unternehmen größer ist als das vorhandene Angebot. Dieses Problem ist allerdings ein Stück weit hausgemacht, denn wenn ich so manche Stellenanzeige sehe, habe ich das Gefühl, mit ihnen wird kein Mitarbeiter, sondern ein Halbgott oder zumindest Superman gesucht. Da gibt es nicht selten vollkommen überzogene und unrealistische Wünsch-dir-was-Vorstellungen, die jeden Normalsterblichen von Vornherein abschrecken. Wer dann im weiteren Verfahren die paar nach Sichtung der eingereichten Unterlagen übriggebliebenen Juwelen auch noch durch komplexe Assessment Center jagt, um sie anschließend aufgrund langer Auswertungs- sowie Bearbeitungszeiten wochenlang über den Ausgang des Bewerbungsverfahrens im Unklaren zu lassen, muss sich nicht wundern, wenn er seinen Personalbedarf nicht decken kann. Das Anspruchsdenken setzt bereits bei der Suche nach Auszubildenden ein. Ich habe Bewerbungstests gesehen, mit denen beispielsweise derart umfangreiche Detailkenntnisse über das einstellende Unternehmen abgefragt wurden, dass ich unsicher war, ob wirklich ein Auszubildender oder eher ein leitender Angestellter gesucht wird. Es ist aber selbst bei einem Verzicht auf überzogene Ansprüche und Recruiting-Maßnahmen alleine aufgrund der prognostizierten demografischen Entwicklung in Deutschland davon auszugehen, dass Bedarf und Angebot weiter auseinanderklaffen werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass offensichtlich immer weniger junge Menschen bereit sind, eine duale Ausbildung zu beginnen. Dieser nicht erst seit gestern erkennbare Trend findet seinen Ursprung bereits am Ende der Grundschulzeit. Schon seit Jahren steigt der Druck auf Gymnasien und Hochschulen. Letztes Jahr wurden in meinem Wohnort rund 50 % der Kinder am Gymnasium angemeldet. Während meiner Schulzeit war das nicht möglich, denn es gab die Orientierungsstufe. Eltern konnten sich nicht losgelöst von den schulischen Leistungen ihrer Kinder für eine von ihnen bevorzugte weiterführende Schule entscheiden. Damals lag der Anteil der an den Gymnasien angemeldeten Kinder bei knapp einem Drittel. Geht man davon aus, dass die Kinder in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt nicht intelligenter geworden sind, so sehen heutige Eltern scheinbar für ihren Nachwuchs einen möglichst hochwertigen Schulabschluss mit anschließender Hochschulausbildung als einzigen Garanten für einen auskömmlichen Lebensunterhalt an. Das Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“ gilt für sie nicht mehr. Deswegen sind Eltern sogar bereit, ihre Kinder eine Schule besuchen zu lassen, der diese nicht gewachsen sind. Da helfen auch keine schönen Worte von (Berufs-) Politikern, die nicht müde werden, für die Gleichwertigkeit von Studium und dualer Ausbildung zu trommeln. Ein Grund für die Fruchtlosigkeit der Bemühungen könnte sein, dass es der politischen Kaste an Glaubwürdigkeit fehlt, denn die weit überwiegende Zahl der Politiker auf Landes- oder Bundesebene ist akademisch geprägt. Selbst wenn sie ursprünglich eine duale Ausbildung durchliefen, hängten viele von ihnen ein Studium an ihre Erstausbildung. Damit vermitteln sie Eltern den Eindruck, dass Karrieren, welche eines Studiums als Grundlage bedürfen, entgegen ihren Worten doch attraktiver sind als nichtakademische Karrierewege. Will man also einem Fachkräftemangel im gewerblichen Bereich, insbesondere im Handwerk, zuvorkommen, sind Lockangebote, die potenziellen Auszubildenden öffentlichkeitswirksam Führerscheine oder eine Klettertour auf den Kilimandscharo in Aussicht stellen, zu kurz gesprungen. Die Wirtschaft müsste den Eltern von Viertklässlern Versprechungen machen, nicht erst den Berufseinsteigern, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Die Situation war in meiner Jugendzeit grundlegend anders. Damals wurden nichtakademische Berufe insbesondere von den Angehörigen des Mittelstandes nicht nur als Notlösung akzeptiert, sondern sie wurden für den Nachwuchs angestrebt, weil sie als das Rückgrat der Wirtschaft angesehen wurden. Damit zusammenhängend wurde die Realschule nicht lediglich als Kleine-Leute-Gymnasium angesehen, sondern als eine Schulform, die auf einen angesehenen, gut dotierten und dauerhaft sicheren Arbeitsplatz vorbereitete. Der Mittelstand hatte vor vier Jahrzehnten ein Selbstwertgefühl, welches zunehmend verloren geht. Sichtbarer Ausdruck dieser Tendenz ist, dass selbst erfolgreiche Handwerksmeister ihren Kindern die Betriebe oftmals erst dann übergeben, nachdem diese ein betriebswirtschaftliches oder technisches Studium absolviert haben (wenn die Kinder sie denn überhaupt haben wollen). „Nur“ Handwerksmeister reicht also selbst vielen Handwerksmeistern heute nicht mehr als ausreichende Qualifikation.

Ein weiterer generationentypischer Unterschied zwischen den Jahrzehnten ist darin zu sehen, dass es heute erheblich mehr Bildungswege gibt. Beispielsweise wurden die Zugangsvoraussetzungen zum Erwerb akademischer Grade soweit neu gefasst, dass selbst ein Master-Studium und anschließende Promotion ohne Abitur möglich ist. Die aktuelle Bildungsvielfalt macht junge Menschen unabhängiger. Ein einmal eingeschlagener Weg kann jederzeit korrigiert werden und geschlossene Arbeitsverhältnisse sind nicht mehr auf die Dauer bis zum Renteneintritt angelegt. Hinzu kommt, dass die Angehörigen der Generation Z gegenüber meiner Generation über ein Vielfaches an Informationen verfügen. Wo heute ganz fix allgemeine Informationen über Bildungswege und Ausbildungsberufe sowie spezifische Angaben über Unternehmen, deren Kultur und sogar die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit den dortigen Arbeitsbedingungen im Internet abgefragt werden können, mussten wir uns zeitraubend durch Zeitungen und Fachzeitschriften quälen oder die Unternehmen direkt anschreiben, um zumindest oberflächliche, meist stark gefilterte Kenntnisse zu erlangen. Selbst unser Allgemeinwissen über Ausbildungsberufe war nicht mehr als rudimentär. Ich kann mich noch dunkel an ein vom Arbeitsamt herausgegebenes, rund 3 cm dickes Buch im DIN-A5-Format erinnern, welches wir in der Schule bekamen und dem Grundlegendes über die wählbaren Ausbildungsberufe zu entnehmen war. Für weitergehende Informationen mussten wir einen Termin mit dem Ausbildungsberater des Arbeitsamtes vereinbaren. Der konnte allerdings nur über die gängigsten Ausbildungsberufe eher oberflächliche Angaben machen, über „Exoten“ konnte er gar nichts vermitteln. Lehrer schieden als Auskunftsquelle aus, weil sie nur Schule, Universität und wieder Schule kennengelernt hatten, sodass ihnen die gewerbliche Berufswelt in der Regel vollkommen fremd war. Auch die heute üblichen Praktika von Schülern in Betrieben gab es damals noch nicht.

Die dargestellten Unterschiede zusammengefasst, lässt sich sagen, dass es heute in Deutschland weniger junge Menschen als vor 40 Jahren gibt und dass ihr Anteil an der Bevölkerung weiter abnehmen wird, sofern nicht gesellschaftspolitisch gegengesteuert wird (z. B. mit zielgerichteter Einwanderung). Zwangsläufig ergibt sich daraus, dass dem Arbeitsmarkt immer weniger Menschen zur Verfügung stehen werden, falls nicht arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Abhilfe sorgen (z. B. durch eine vereinfachte Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen). Jungen Menschen steht heute eine Vielzahl an Bildungs- und Informationsmöglichkeiten zur Verfügung, die ihnen in Ihrer Berufsauswahl deutlich größere Freiräume bieten als sie Berufseinsteiger in den 80er-Jahren hatten. Beide Umstände führen zu einem Selbstbewusstsein, das von den Angehörigen der Babyboom-Generation sowie denen der Generationen X und Y, die derzeit überwiegend die Vorgesetztenpositionen besetzen, einerseits zwar gewünscht wird, welches aber anderseits so irritiert, dass über den Umgang mit der Generation Z Unklarheit herrscht.

Ein häufig genutztes Mittel, um mit Unklarheiten umzugehen, ist der Versuch, zu analysieren, welche Wirkfaktoren relevant sind, sie zu klassifizieren, in einem schematisierten Modell darzustellen und daraus allgemeingültige Lösungsansätze abzuleiten. So wurde und wird auch hinsichtlich der Generation Z verfahren. Ergebnisse dieser Vorgehensweise sind die aktuell gebräuchliche zeitliche Einordnung der Generationen und die ihnen zugeschriebenen Persönlichkeitsmerkmale. Die vermeintlich generationentypischen Eigenschaften ihrer Angehörigen führten wiederum zu Handlungsempfehlungen, wie Personalgewinnungsaktivitäten gestaltet sein müssten, um erfolgreich zu sein, welche Arbeitsbedingungen für Angehörige der Generation Z zu schaffen sind, um sie an das Unternehmen zu binden und wie generationstypischen Persönlichkeitsdefiziten zu begegnen ist, um die gewünschte bzw. erforderliche Performance zu gewährleisten. Eine derartige Schematisierung übersieht allerdings, dass die Generation Z ebenso wenig homogen ist wie meine Turnschuh-Generation vor 40 Jahren oder alle anderen Generationen. Demzufolge kann eine Pauschalisierung von Attributen und Maßnahmen nicht zielführend sein, denn Aktivitäten zur Gewinnung, Motivation oder Bindung von Mitarbeitern sprechen Individuen an und keine Generationen. Es ist also immer davon auszugehen, dass Bewerber oder Mitarbeiter persönliche Einstellungen haben, die nicht mit den der jeweiligen Generation zugeschriebenen Attributen übereinstimmen.

Wie weit Theorie und Praxis voneinander abweichen können, konnte ich kürzlich bei einer Veranstaltung erleben, die unter dem Motto „Der ideale Arbeitgeber“ stand. Ein Unternehmer aus der Marketingbranche, der eindeutig den Babyboomern zuzuordnen war, sollte einen Vortrag über Werbemaßnahmen zur Gewinnung von Auszubildenden und Nachwuchsfachkräften halten. Wie er während seiner einleitenden Worte sagte, erkannte er schnell, dass er aufgrund seines Alters wenig qualifiziert für diese Aufgabe sei, weswegen er mit einem seiner jüngeren Angestellten absprach, dass dieser den Vortrag übernehmen solle. Wie zu erwarten sprach der junge Mitarbeiter ganz anders als sein Chef. So anders, dass ich meinte, vollkommen aus der Zeit gefallen und streckenweise der deutschen Sprache nicht mehr mächtig zu sein. Eine neben mir sitzende Zuhörerin, die erkennbar der Generation Z angehörte, bekam wohl meine zunehmende Unruhe mit und beugte sich herüber, um mir zu versichern, dass ich mir keine Sorgen machen müsse, denn auch sie verstehe das Gesagte nur teilweise. In der folgenden Pause unterhielt ich mich mit meiner Platznachbarin über den gehörten Vortrag. Interessant war, dass selbst sie als junger Mensch die stark jugendorientierte Ausdrucksweise des Redners für nicht angemessen hielt. Sie meinte, die meisten ihrer Altersgenossen erwarten gar nicht, dass Ältere wie sie reden würden. Ganz im Gegenteil empfinden es viele Jüngere sogar als peinlich, wenn ältere Menschen deren Sprache kopieren. Sie entlarven solche Versuche sehr schnell als bloße Anbiederung, sozusagen als unerlaubte Aneignung fremden Kulturguts. Das war ihre persönliche Meinung. Diese muss nicht repräsentativ sein. Sie macht aber deutlich, dass man mit Gleichmacherei durchaus das Gegenteil von dem erreichen kann, was man sich eigentlich erhofft, denn Jugendlicher ist nicht gleich Jugendlicher und Nachwuchsfachkraft ist nicht gleich Nachwuchsfachkraft. Dass die derzeitige Generationendebatte in wahrem Unsinn münden kann, zeigte mir anschließend ein in den Veranstaltungsräumlichkeiten ausliegender Flyer einer Beratungsgesellschaft. Ihm konnte ich die vermeintlichen Persönlichkeitseigenschaften der jeweiligen Generationen entnehmen. Nach diesem Flyer sind alle Angehörigen der Babyboom-Generation zynisch. Bei solch einer Expertise tun mir die Kunden bzw. Mandanten leid, die für so etwas Geld bezahlen. Natürlich war während des Unternehmertreffens auch viel von agilem Arbeiten, Holokratie usw. die Rede. In diesem Zusammenhang wurden die Vorzüge des autonomen, selbstorganisierten Arbeitens ohne klassische Hierarchien und mit lateralen Führungsmodellen herausgestellt. Erwartungsgemäß mündeten die vertretenen Ansichten darin, dass diese neuen Arbeits- und Organisationsmodelle von Bewerbern der Generation Z erwartet werden, damit sie einen potenziellen Arbeitgeber als guten Arbeitgeber ansehen. Auch dahingehend irritierte mich wieder die Annahme von der Gültigkeit generationentypischer Merkmale.

Entgegen dem offenkundigen Trend der besuchten Veranstaltung spricht meine Erfahrung gegen allzu optimistische Annahmen in Bezug auf die kollektive Übereinstimmung von Werten, Wünschen und Vorstellungen innerhalb einer Generation. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass alleine schon die Zeitspannen der definierten Generationen universal zutreffende Persönlichkeitsattribute innerhalb einer von ihnen sehr unwahrscheinlich machen. Der Generation Z zum Beispiel gehören Menschen an, welche von 1995 bis 2009 geboren wurden (andere publizierte Spannen reichen von 1997 bis 2012). Glaubt jemand ernsthaft, dass ein 14-Jähriger beispielsweise die gleichen Bedürfnisse wie ein 39-Jähriger hat? Nicht wenige HR-Abteilungen scheinen tatsächlich davon auszugehen, denn so manche Vorstellung von Generation Z-gerechter Arbeitsumgebung erinnert mich eher an einen Freizeittreff für Jugendliche als an einen Arbeitsplatz für hochqualifizierte Erwachsene. Erstaunlich ist für mich, dass die älteren Angehörigen der Generation Z beim Anblick von Spielecken im poppig gestalteten Großraumbüro gar nicht dagegen aufbegehren, als gut ausgebildete, berufserfahrene Fachkräfte auf eine Stufe mit pubertierenden Jugendlichen gestellt zu werden. Vielleicht verharren sie angesichts des Kulturwandels in den vom Agilitätsdrang betroffenen Betrieben ja noch in einer Art Schockstarre und das Aufbegehren kommt später. Vielleicht suchen sie aber auch still und leise einen neuen Arbeitgeber, der ihnen ein ihrem beruflichen Selbstbewusstsein entsprechendes angemesseneres berufliches Umfeld zur Verfügung stellt.

Nach meiner Einschätzung gibt es kaum spezifische Merkmale, die für alle Angehörigen einer Generation angenommen werden können. Selbstverständlich gibt es Tendenzen. So kann, wie bereits ausgeführt, davon ausgegangen werden, dass sich Angehörige der Generation Z exzellent mit Internet und Social Media auskennen. Das gilt aber ebenso für viele Angehörige der Generationen X und Y. Auch nicht wenige Babyboomer kennen sich damit sehr gut aus. Man mag es nicht für möglich halten, aber es gibt 20-Jährige, die keineswegs den Großteil des Tages im Internet surfen und deren Sozialkontakte nicht überwiegend aus Facebook-Freundschaften bestehen. Dafür gibt es wiederum genügend 50-Jährige, die täglich mehrere Stunden damit beschäftigt sind, ihr Xing-Profil zu optimieren, ihre Befindlichkeiten auf LinkedIn oder Twitter zu verbreiten und die sogar als Influencer auftreten. Internetpräsenz sowie -nutzung sind also keine typischen Merkmale, welche einer einzigen Generation zugeordnet werden können. Selbst tiefergreifende IT-Kenntnisse sind keine ausschließliche Domäne junger Menschen. Ich kenne genügend Ältere, die versierte Programmierer sind oder die als Autodidakten in der Lage sind, sich eine eigene Homepage zu erstellen, ihre private Buchhaltung mit Excel-Tabellen zu organisieren und die Einkommensteuererklärung vollkommen selbstverständlich mittels ELSTER beim Finanzamt einzureichen. Bestimmte Arbeitsumgebungen können ebenso wenig einer bestimmten Generation zugeordnet werden. Danach gefragt, geben nicht wenige Angehörige der Generation Z an, sie würden in einem Großraumbüro alleine schon wegen der allgegenwärtigen Geräuschkulisse und des Gruppendrucks zu permanenter Interaktionsbereitschaft nicht konzentriert arbeiten können. Dahingegen können sich wiederum Angehörige der anderen Generationen ein Gemeinschaftsbüro mit kreativen Entspannungsmöglichkeiten durchaus vorstellen.

Die Sache mit dem Führen ist ebenfalls nicht so eindeutig wie es oftmals dargestellt wird. Ohne Frage gibt es Menschen, die möglichst ohne Gängelung durch Vorgesetzte und Beachtung klassischer Berichts-/Informationswege ihre Arbeit selbstbestimmt organisieren möchten und die es befürworten, wenn ein Leader im Sinne eines Koordinators, Moderators sowie nach Außen als Sprecher durch das Team auf Zeit demokratisch gewählt wird. Solche Menschen lassen sich jedoch in allen Generationen finden. Den bisher geführten Gesprächen konnte ich entnehmen, dass es in der Generation Z nicht wenige Angehörige gibt, die es bevorzugen, wenn sie einen „richtigen“ Vorgesetzten, eindeutig definierte Aufgaben sowie festgelegte Berichts- bzw. Kommunikationswege haben, weil sie die Sicherheit klarer Strukturen brauchen, um leistungsfähig sein zu können. Zu diesen klaren Strukturen gehört ebenso ein Büro, in dem Arbeiten ohne permanente äußere Ablenkung möglich ist. Natürlich lassen sich solche Wünsche als altmodisches Hierarchie- und Statusdenken mit der Gefahr von kontraproduktiver Silo-Mentalität und zeitraubender Bürokratie interpretieren. Aber angenommen, es wäre tatsächlich so, könnten wir es uns bei dem bereits eingesetzten Fachkräftemangel denn leisten, solche „altmodischen“ Sicherheitsbedürfnisse zu ignorieren?

Als Fazit möchte ich empfehlen, bei der Nachwuchsgewinnung, der Organisation von Arbeit sowie der Gestaltung von Arbeitsumgebungen auf Schubladendenken zu verzichten. Es ist abwegig, davon auszugehen, dass es Generationen gibt, innerhalb derer alle Menschen übereinstimmende Werte, Bedürfnisse und Vorstellungen haben. Alleine die Zeitspannen, die die einzelnen Generationen umfassen, sprechen dagegen. Außerdem ist jeder Mensch während seines Lebens einer vielfältigen Prägung durch sein soziales Umfeld und seinen Lebenserfahrungen ausgesetzt. Auch diese individuelle Prägung steht generationentypischen Attributen entgegen. Deswegen lassen sich in jeder Generation sowohl konservative als auch progressive Strömungen finden. Selbstverständlich sollten Mittel und Methoden zeitgemäß sein. Selbst Babyboomer wird man mit Job-Anzeigen oder einer Arbeitsumgebung im Stil der 70er-Jahre nicht mehr begeistern können. Recruiter sollten sich aber davor hüten, junge Bewerber mit einem aufgesetzt wirkenden Jugend-Slang anzusprechen und potenzielle Nachwuchsfachkräfte mit einem Tischkicker in der Fun-Factory zu locken. Die konservativer Geprägten der Generation Z würden damit von Vornherein abgeschreckt werden, während nicht wenige der progressiveren Vertreter die durchschaubare Anbiederung als suspekt empfinden würden. Ähnliches gilt für die bereits während eines Bewerbungsgesprächs in Aussicht gestellte Möglichkeit, im Rahmen agilen Arbeitens recht schnell Scrum Master zu werden, denn nach meiner Erfahrung möchte die Mehrzahl der Menschen bzw. Beschäftigten keine Führungsrolle übernehmen, selbst dann nicht, wenn sie in ihrer Ausprägung eher „milde“, zeitlich stark begrenzt und demokratisch legitimiert ist.

Gerade das Thema Führung taugt meiner Meinung nach am wenigsten für eine Generationendebatte. Es gibt nicht die richtige Führung für eine bestimmte Generation. Führung ist immer kontextabhängig, wobei eine Vielzahl von Variablen den Kontext bilden. Das Alter der zu führenden Mitarbeiter ist nur eine dieser Variablen. Eine der wichtigsten Grundlagen für wirksame Führung ist Verlässlichkeit. Diese wird von allen Generationen gleichermaßen erwartet. Mir sind Unternehmen bekannt, in denen ein nach heutigen Maßstäben eher autoritärer bzw. in seiner familiäreren Ausprägung patriarchalischer Führungsstil von den jeweiligen Belegschaften sehr gut akzeptiert wird, zu hervorragenden Ergebnissen führt und die Betriebe in keiner Weise in ihrer Innovationskraft behindert. Die Mitarbeiter kommen mit dem Führungsstil klar, weil er konstant – oder eben verlässlich – ist und sie sich deswegen auf ihn einstellen können. Sie kennen ihre Möglichkeiten genauso wie ihre Grenzen. Sie wissen, was von ihnen erwartet wird und welche Freiräume sie innerhalb der gesetzten Grenzen haben. Das verleiht ihnen Sicherheit. Sicherheit wiederum ist wichtiger Nährboden für gute Leistungen. Auf der anderen Seite kenne ich Unternehmen, welche zumindest in einzelnen Bereichen holokratische Strukturen und damit zusammenhängend laterale Führungsmodelle einführten, die das Experiment allerdings innerhalb von maximal zwei Jahren wieder beendet haben. Die Abbrüche erfolgten nicht unbedingt, weil die neuen Methoden per se als untauglich angesehen wurden. Sie wurden aufgrund von zunehmenden Klagen über psychische Belastungen, von denen jüngere wie ältere Mitarbeiter gleichermaßen betroffen waren, und den damit verbundenen Auswirkungen vollzogen. Zu den beklagten Belastungen, die sich signifikant in den Krankmeldungen widerspiegelten, kam es unter anderem deswegen, weil neben den Prozessen, die Rollen (und in diesem Zusammenhang insbesondere die Führungsrolle) als so unklar empfunden wurden, dass sie zu dauerhaften Überlastungserscheinungen sowie Leistungseinbrüchen führten. Von vielen Betroffenen wurde angegeben, dass sie sich sehr unsicher fühlten. Die Unsicherheit wurde dadurch verstärkt, dass die Führungspersonen oftmals selber unsicher in der Ausübung ihrer Rolle innerhalb des Systems waren, was dazu führte, dass sie zeitweise in einen sehr autoritären Führungsstil verfielen und massiven Druck aufbauten, um gesetzte Ziele zeitgerecht zu realisieren. Die Führung schwankte also von kameradschaftlich-laissez-faire bis autoritär und war somit nicht konstant. Dadurch wurde sie zum leistungshemmenden, krankmachenden Unsicherheitsfaktor. Aufgrund dieser Erfahrungen kann Unternehmen nur empfohlen werden, bei der Auswahl von Organisations- und Führungsmodellen nicht unkritisch von der Annahme generationentypischer Persönlichkeitsmerkmale, welche bei allen Angehörigen der jeweiligen Jahrgangsbandbreite zu finden sind, auszugehen. Die Einführung von New Work/agilem Projektmanagement/holokratischen Strukturen sollte nur nach intensiver Vorbereitung erfolgen. Zu der Vorbereitung gehört u. a. die Gewinnung von verlässlichen Informationen über die individuellen Persönlichkeitsmerkmale, Werte und arbeitsbezogenen Bedürfnisse der vorgesehenen Teammitglieder. Leistung und Erfolg basieren auf Individualität, nicht auf Pauschalisierung.